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  Tausend Küsse
  Tausend Küsse - das sagt sich so leicht; schier jeder berühmt sich,
  Dass er sie gab und empfing; fälschlich! denn Phrase nur ist's.
  Wollt ihr wissen genau, wie von Küssen ein wirkliches Tausend
  Schmeckt? So vernehmt, ich bin's, der in Wahrheit erprobt,
  Saß bei der liebsten vertraut, ein Küsschen ums andere heischend;
  "Ach, wann hast du genug?" - "Tausende, Liebchen, bedarfs'" -
  "Tausende? Wirklich? Nun hör'! ich gebe dir tausend auf einmal;
  Doch dann ist's dir genug? - "Scherzest du, Liebchen?" - "O nein!" -
  "Nun so fange nur an, mein Kind, hier sitz' ich harre
  Durstig des Honigtaus, der von der Lippe dir träuft!"
  Während ein hundert sie nun auf die schwellenden Lippen mir drückte,
  Schmunzelt' ich heiter, es lacht schwerlich ein Pascha so froh.
  Etwas ernster jedoch nach der Hunderte zweitem und drittem
  Blick' ich und sie, rastlos, zählte das vierte mir zu.
  "Weißt du, o Kind," rief ich, "dass ein wenig bereits mir die Lippe
  Schmerzt?" - "So bist du es satt? Reut es dich, was du gewünscht?"
  "Ach was denkst du? Nur weiter!" - Nur wieder von Schmätzchen im Takte
  Scholl das Gemach, es erklang fast wie das Ticken der Uhr.
  Doch als der Hunderte sechste sich mir auf den Lippen entladen,
  Rief ich aufs neu: "Mein Kind, es wollen die Küsse, die süßen,
  Soll ich es offen gestehn, nun schon mich mählich bedünken
  Schier wie ein eitles tun. - Honig ist immer darin!"
  Jetzo das siebente hundert, es sprühte herab wie ein Sturzbad
  Grausamlich. - Doch ging dies auch vorüber, da lacht'
  Plötzlich spottend sie auf: "Du siehst ja aus wie ein krankes
  Vöglein, welchem der Hanf nicht, noch der Zucker behagt!"
  "Possen!" versetzt' ich, gezwungen noch lachend und einigermaßen
  Grimmig. "Gedulde dich, Herz," rief sie, "das achte beginnt!" -
  Ach, nach dem achten, da saß ich nicht mehr da wie ein sattes
  Vöglein, nein, wie ein Mann, welchem der Scherer des Barts
  Schäumig geseift und bedräut mit kratzendem Messer. Doch hielt ich
  Wacker mich jetzt und ertrug schweigend der Hunderte neun.
  Aber das Mädchen, das tolle, sie stockt' und mir blickend ins Antlitz,
  Macht nur ein Weilchen der Schalk erst mit Gelächter sich Luft.
  Und sie beginnt aufs neu'. Doch endlich - der Hundert letztes
  Ist vorüber - empor spring' ich und schwöre beim Zeus:
  "Nie so fängst du mich wieder, du Schelmin! Und höre, die Tausend, -
  Dass du doch weißt, wie es tut - geb' ich dir morgen zurück!"
  Robert Hamerling 1830 - 1889
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