Heimliche Liebe
Wie lieb und hold ist Frühlingsleben,
Wenn alle Nachtigallen singen,
Und wie die Tön in Bäumen klingen
In Wonne, Laub und Blüten beben.
Wie schön im gold'nen Mondenscheine
Das Spiel der lauen Abendlüfte,
Die, auf den Flügeln Lindendüfte,
Sich jagen durch die stillen Haine.
Wie herrlich glänzt die Rosenpracht,
Wenn Liebreiz rings die Felder schmücket,
Die Lieb' aus tausend Rosen blicket,
Aus Sternen ihrer Wonne-Nacht.
Doch schöner dünkt mir, holder, lieber,
Des kleinen Lichtleins blass Geflimmer,
Wenn sie sich zeigt im engen Zimmer,
Späh ich in Nacht zu ihr hinüber.
Wie sie die Flechten löst und bindet,
Wie sie im Schwung der weißen Hand
Anschmiegt dem Leibe hell Gewand,
Und Kränz in braune Locken windet.
Wie sie die Laute lässt erklingen,
Und Töne, aufgejagt, erwachen,
Berührt von zarten Fingern lachen,
Und scherzend durch die Saiten springen.
Sie einzufangen schickt sie Klänge
Gesanges fort, da flieht mit Scherzen
Der Ton, sucht Schirm in meinem Herzen,
Dahin verfolgen die Gesänge.
O lasst mich doch, ihr Bösen, frei!
Sie riegeln sich dort ein und sprechen:
Nicht weichen wir, bis dies wird brechen,
Damit du weißt, was Lieben sei.
Ludwig Tieck 1773 - 1853
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