Fahre wohl
Nun so sei's, so lass uns scheiden
Ohne Kuss und Druck der Hand,
Fahre wohl! Denn von uns beiden
Hat die Liebe sich gewandt.
Jenes Drängen, jenes Wogen,
Jenes Sehnen ohne Ruh' -
Fahre wohl! es hat gelogen,
Und enttäuscht sind ich und du.
Fürchte nichts! In dieser Stunde
Mische sich kein bittres Wort!
Fest die Hand auf meiner Wunde,
Ohne Klage geh' ich fort.
Sei beglückt! Ich kann verlassen,
Denn verlassen ward zur Pflicht!
Aber zürnen, ach! und hassen,
Wo ich liebte, kann ich nicht.
Habe Dank für alles Gute,
Habe Dank für jede Lust,
Jede glückliche Minute,
Die ich fand an deiner Brust,
Jeden Kuss, den du gewährest,
Jede süße Tändelei:
Lieben hast du mich gelehret,
Lehrst mich nun, was Leiden sei.
Wird mein Bildnis dir erscheinen
In dem Traumgesicht der Macht,
Sieh es ruhig ohne Weinen
Und vergiss es, kaum erwacht.
Mein Gedächtnis lass entschwinden,
Schnell, wie unser Glück entwich;
Einen andern magst du finden,
Den du treuer liebst als mich.
Schau nicht um dich, wenn ich gehe,
Senke nieder deinen Blick:
Denn er zög' in deiner Nähe,
Zöge mich zu dir zurück!
Fahre wohl! Die Lippen beben,
Und die Füße weigern sich -
Ach, nicht mit dir kann ich leben,
Kann nicht leben ohne dich!
Robert Prutz 1816 - 1872
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