An Therese
Uns trennten keine Fernen, keine Meere,
Und keine Lasten eines harten Spruchs -
Und trennt das Leben mit der ganzen Schwere
Des hergebrachten, alten, schalen Fluchs.
So bleibst du in deines Hauses Kreisen,
In seiner frommen Stille schlummre du!
Ich will die Welt kometenhaft durchkreisen
Und fliehn und kommen, ohne Rast und Ruh.
Du bist das Gold, das zwischen Felsenriffen
Ausspendet durch die Nacht sein mildes Licht;
Ich bin das Eisen, das, zum Dolch geschliffen,
Ins Feindesherz auf seiner Irrfahrt bricht.
So lebe wohl! Ich sehe bald dich wieder!
O, dass der Trennung Weh ich fühlen muss.
Dass mir im Herzen klingen Scheidelieder
Bei jedem Wiedersehn und seinem Kuss!
Enträtselt ist mir nun die alte Klage
Vom tiefsten Weh im höchsten Liebesglück:
Du gabst mir goldne, glückdurchstrahlte Tage -
Nun sie entflohn, bleibt Nacht und Schmerz zurück.
Ich liebe dich, und das ist alles,
Was dir mein Herz gestehen kann.
Ich rede kurz, - ich bin ein Mann,
Was braucht es auch des längern Schalles!
Und noch zu viel - o, könnt' ich schweigen
Und mich verschließen fort und fort
Und dir aus keinem einz'gen Wort
Das Innre meines Herzens zeigen.
Wild ist der Sturm und wild mein Leben
Und trüber, als es ahnt dein Herz;
Ach, groß genug ist schon dein Schmerz,
Was sollst du noch für andre beben?
So ruheschön wie eine Hütte
Ist selbst im Leid dein Herz zu sehn.
Es soll auflodernd nicht vergehn
In meiner Liebe Flammenmitte.
Und nie verzieh' ich's meinem Herzen,
Wär' ich's, der frech heraufbeschwört
Den Geist, der dich unwürdig stört
In deinen großen heil'gen Schmerzen.
Moritz Hartmann 1821 - 1872
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